Anliegenprozess im eGov-Referenzmodell


In Abbildung 3 ist der Prozessgraph des Anliegenprozesses dargestellt, der den Leistungsprozess als äußere „Hülle“ umspannt und diesen initiiert.

Die Prozessgraphen im eLoGo-Referenzprozessmodell werden in Anlehnung an die Notation der Ereignisgesteuerter Prozessketten dargestellt. Die Ereignisse (Ereignistypen) haben die klassische Vieleck-Form und rücken Zustände relevanter Geschäftsentitäten (Informationsobjekte) oder des Gesamtsystems aus. Aktivitäten (Funktionstypen) sind als Rechtecke mit abgerundeten Ecken dargestellt. Darüber hinaus werden durch Rechtecke Modellelemente ausgedrückt, hinter denen sich weitere Teilgraphen des Prozesses (Funktionsverfeinerung) verbergen. Diese Teilgraphen werden dann in eigenen Diagrammen dargestellt. Die Namen der Ereignisse, Aktivitäten und Teilgraphen sind jeweils innerhalb ihres Symbols dargestellt.

Start und Ende des Prozesses werden durch spezielle Ereignisse, die als Pfeile mit dem Text „Start“ bzw. „Ende“ dargestellt werden, ausgedrückt. Konnektoren sind als Raute mit dem Text „xor“ (Exkuslive Verzweigung), „or“ (Verzweigung) und „and“ (Parallelität) dargestellt.

Die Modellelemente werden durch Pfeile verbunden, die in der Regel den Kontrollfluss zwischen diesen Elementen ausdrücken. Es gibt einen zusätzlichen Pfeiltyp (mit gestrichelten Linien), der für den Anstoß eines anderen Prozesses abhängig vom aktuellen Prozessablauf steht und mit dem Text „Asynchroner Aufruf“ bezeichnet ist.

Abbildung 3 – Prozessgraph des Anliegenprozesses im eLoGo-Referenzprozessmodell

Der Prozess startet, wenn dem Nachfrager einer Verwaltungsleistung die Notwendigkeit oder Möglichkeit zu einem Verwaltungskontakt (selbst) bewusst wird oder (von außen) bewusst gemacht wird. Wird dem Nachfrager dies selbst bewusst, so können bereits Informationen (z.B. aus den Medien, aus eigenen Erfahrungen) vorliegen. Ein solcher Fall ist im Anliegenprozess mit dem Ereignis „Nachfrager ist bewusst; Informationen liegen vor“ dargestellt. Der Fall, dass keine Informationen über den notwendigen bzw. möglichen Verwaltungskontakt vorliegen, ist mit dem Ereignis „Nachfrager ist bewusst; Informationen liegen nicht vor“ ausgedrückt.

Wird die Bewusstwerdung von außen angeregt, so startet der Prozess hingegen mit dem Eingangsereignis „Bewusstwerdung wird von außen angestoßen“ und setzt dann unmittelbar im Subprozess „Bewusstwerdung“ fort (siehe Abschnitt 3.5).

Die Bewusstwerdung umfasst alle die Aktivitäten, die dazu führen, dass dem Nachfrager bewusst wird, dass ein Verwaltungskontakt notwendig und/oder sinnvoll ist. Es besteht in diesem Subprozess auch die Möglichkeit, gleichzeitig mit der Anregung zum Verwaltungskontakt auch Informationen über den bevorstehenden Verwaltungskontakt, mögliche Leistungen usw. abzugeben. Nachdem dieser Subprozess durchlaufen wurde, ist sichergestellt, dass der beteiligten (Haupt-)Person (in der Prozessrolle „Nachfrager“), von außen bewusst gemacht wurde, dass sie eine Verwaltungsleistung in Anspruch nehmen muss oder kann. Dies drücken die Ereignisse mit dem Namen „Nachfrager ist bewusst, …“ aus, die sich hinsichtlich des Informationsstandes unterscheiden.

Als nächstes wird im Verwaltungsprozess die Phase der Vorbereitung (aus Sicht des Nachfragers) durchlaufen. Zu diesem Zeitpunkt des Prozesses kann der Nachfrager über einen unterschiedlichen Informationsstand verfügen: Liegen bereits Informationen vor (z.B. weil von außen während der Bewusstwerdung Informationen abgegeben wurden, oder weil der Nachfrager selbst bereits über Informationen verfügt), läuft die Phase der Vorbereitung anders ab, als für den Fall, dass der Nachfrager über keine Informationen zum bevorstehenden Verwaltungskontakt verfügt. Insgesamt dient die Vorbereitungsphase dazu, die notwendigen Informationen über den Verwaltungskontakt zusammenzutragen und zu bewerten. Die Vorbereitungsphase endet damit, dass die Planung des Verwaltungskontaktes auf Basis der vorliegenden Informationen erfolgt ist (Ereignis „Planung vollständig; Verwaltungskontakt notwendig“).[1]

In dem Fall, dass die Planung abgeschlossen ist und der Verwaltungskontakt nun hergestellt werden soll, setzt der Prozess mit der Antragsstellung (Subprozess „Antragsstellung“) fort. In diesem Subprozess wird das bisher mehr oder weniger detailliert formulierte Anliegen des Nachfragers in Übereinstimmung mit den möglichen Verwaltungsleistungen gebracht. Dies kann im einfachsten Fall dazu führen, dass ein Anliegen (z.B. mein Bewohnerparkausweis läuft ab; ich brauche einen neuen.) zu genau einer Leistung (z.B. Ausstellung eines Bewohnerparkausweises für den Anschlusszeitraum) führt. Denkbar ist aber auch, dass das Anliegen komplexer ist, auch intensive Abstimmung erfordert und dann zu mehreren Verwaltungsleistungen führt, die in unterschiedlichen Leistungsprozessen erbracht werden. Dann werden für den Nachfrager weitere Verwaltungsprozesse initiiert.

Der Subprozess „Antragsstellung“ ist zunächst mit der Initiierung einer Verwaltungsleistung abgeschlossen. Dies ist durch den asynchronen Start des unabhängigen Leistungsprozesses mit dem Eingangsereignis „Leistungserbringung durch zuständige(n) Bearbeiter ist zu initiieren“ ausgedrückt. Dann existiert neben dem Anliegenprozess eine weitere Instanz eines Leistungsprozesses.

Nachdem der Leistungsprozess gestartet wurde, setzt der Anliegenprozess im Subprozess „Bearbeitung verfolgen“ fort. In diesem Subprozess hat der Bearbeiter die Möglichkeit den aktuellen Bearbeitungsstand „seiner“ Verwaltungsleistungen einzusehen. Hier trifft der Bearbeiter auch die Entscheidung, ob weitere Verwaltungsleistungen erbracht werden müssen. Ist dies der Fall, kehrt der Prozess über die Rückschleife mit dem Ereignis „Leistungserbringung ist zu initiieren“ in Subprozess „Antragsstellung“ zurück. Aus diesem Subprozess heraus wird dann die nächste Leistungserbringung initiiert.

Nachdem die einzelnen Leistungsprozesse einen bestimmten Bearbeitungsstand erreicht haben (z.B. die Leistung ist erbracht) endet der Anliegenprozess mit dem Ereignis „Bearbeitung ist erfolgt“.

Grundsätzlich ist zu beachten, dass für einen Bürger mehrere Anliegenprozesse gleichzeitig ablaufen können. Dies ist dann der Fall, wenn unterschiedliche Anliegen befriedigt werden sollen.

Die einzelnen Subprozesse, ihre Eingangs- und Ausgangsereignisse und die enthaltenen Aktivitäten werden in den nachfolgenden Abschnitten im Detail vorgestellt.


[1] Der Vollständigkeit wegen ist ein Sonderfall dieser Planung, nämlich die Entscheidung, dass ein Verwaltungskontakt (doch) nicht sinnvoll/notwendig ist, ebenfalls im Graphen dargestellt. Dieser Fall kann auftreten, wenn (zusätzliche) Informationen ein anderes Bild der Situation zeigen, als zunächst vom Nachfrager vermutet wurde. Dann endet der Prozess (Ereignis „Planung vollständig; Verwaltungskontakt nicht notwendig“). Ihm kommt jedoch im Rahmen des Referenzprozesses eine untergeordnete Bedeutung zu.