Vom Phasen- zum Prozessmodell


Aus diesem Grund erfolgt im Rahmen der vorliegenden Arbeit die Übertragung des Phasenmodells auf die Geschäftsprozessmodellierung. Dadurch werden Nachfrager- und der Verwaltungssicht gemeinsam betrachtet. Allerdings ist es nicht sinnvoll, die einzelnen Phasen 1:1 in Elemente der Prozessmodellierung (die bestimmten Modellierungsregeln unterliegen) umzusetzen.

Die eLoGo-Referenzmodell basieren vielmehr auf einer Trennung der Phasen in zwei Prozesse.

  1. Ein Prozess, in dessen Ablauf die eigentliche Verwaltungsleistung erbracht wird (im Folgenden auch: innerer Prozess, Leistungsprozess).
  2. Ein Prozess der mit dem Anliegen des Nachfragers (z.B. Bürger, Unternehmers oder Unternehmensvertreters) startet, mit der Befriedigung des Anliegens endet und aus dem der innere Prozess (ggf. mehrfach) zur Erbringung der eigentlichen Verwaltungsleistung(en) gestartet wird (im Folgenden auch: Äußerer Prozess, Anliegenprozess).

Durch diese Trennung wird deutlich, dass zunächst der Äußere Prozess mit der Bewusstwerdung startet, dann die Vorbereitung des Verwaltungskontaktes erfolgt und anschließend die Verwaltungsleistung(en) identifiziert werden, die zur Befriedigung des Anliegens geeignet erscheinen.[1]

Beispielsweise möchte ein Bürger den Dachstuhl in seinem denkmalgeschützten Wohnhaus umbauen, um im Dachgeschoss eine weitere Wohnung zu schaffen und zu vermieten. Er vermutet, dass für den Umbau eine Genehmigung notwendig ist und Fördermittel beantragt werden können. Er trägt Informationen zusammen und stellt fest, dass er zunächst für die Maßnahme, die das Erscheinungsbild des Hauses verändern wird, eine denkmalrechtliche Erlaubnis bei der zuständigen unteren Denkmalschutzbehörde einholen muss (Verwaltungsleistung 1). Außerdem erfährt er, dass er einen Antrag auf Bewilligung einer Zuwendung für Maßnahmen der Denkmalpflege stellen kann (Verwaltungsleistung 2). Ein Antrag auf Vorbescheid zur Klärung einzelner Fragen vor Einreichung eines Bauantrages erscheint ihm sinnvoll (Verwaltungsleistung 3), bevor er die eigentliche Baugenehmigung für die Errichtung und Änderung baulicher Anlagen beantragt (Verwaltungsleistung 4).

Zusammenwirken von Anliegen- und Leistungsprozess im eGovernment-Referenzprozessmodell am Beispiel

Abbildung 2 – Zusammenwirken von Anliegen- und Leistungsprozess am Beispiel

Die eigentlichen Prozesse zur Leistungserbringung werden vom Äußeren Prozess gestartet und umspannt. Sie können nacheinander oder parallel ablaufen und führen über die, in der Literatur beschriebenen und im Vorangegangenen vorgestellten Phasen „Bearbeitung“, „Ergebnismitteilung“ und „Nachbereitung“. Die Leistungsprozesse enden mit der erbrachten Verwaltungsleistung und führen in ihrer Summe zur Befriedigung des Anliegens.

Im obigen Beispiel des Umbaus eines denkmalgeschützten Dachstuhls werden insgesamt vier Leistungsprozesse für die Verwaltungsleitungen 1 bis 4 gestartet. Dabei kann der Bürger zunächst die Leistung 1 „Denkmalrechtliche Erlaubnis“ beantragen und deren Ergebnis abwarten, bevor er dann die Zuschüsse (Leistung 2) und die Voranfrage (Leistung 3) parallel startet. Von der konkreten (finanziellen) Situation des Bürgers wird es abhängen, ob er in Abhängigkeit von der Höhe der gewährten Zuschüsse die Baugenehmigung (Leistung 4) beantragt oder sein Vorhaben verwirft. Sein Anliegen kann somit bereits enden, wenn Verwaltungsleitung 1, 2 und 3 erbracht wurden, oder erst dann, wenn anschließend auch die Leistung 4 erbracht wurde.

Der folgende Fall soll die konzeptionelle Trennung zwischen Anliegen und Leistungsprozess nochmals unterstreichen: Sollte während des Ablaufs eines Leistungsprozesses die Notwendigkeit zum Kontakt mit dem Nachfrager entstehen, so wird der Leistungsprozess beim Nachfrager fortgesetzt. Es ist nicht so, dass diese Aktivitäten, in deren Rahmen die Kontaktaufnahme und der Kontakt erfolgen, Teil des Anliegenprozesses wären. Sie erfolgen im Rahmen der Leistungserstellung und sind damit Bestandteil des jeweiligen Leistungsprozesses. Grundsätzlich ist es auch denkbar, dass ein Bürger mehrere Anliegen hat. Es ist im Sinne einer klaren konzeptionellen Trennung konsequent, in einem solchen Fall von der Existenz mehrerer Anliegenprozesse auszugehen.


[1] Die Lebenslagenorientierung (zum Begriff vgl. [KGSt, 2002]) findet dann ihren Niederschlag im Prozessmodell, wenn die Identifikation von Verwaltungsleistungen über Lebenslagen möglich wird, in denen der Nachfrager sein Anliegen wieder erkennt. Wie die Identifikation von Verwaltungsleistungen im Detail erfolgt, wird im Subprozess „Vorbereitung“ und dem daraus resultierenden Anwendungsfall „Verwaltungskontakt vorbereiten“ und entsprechenden Diensten der Architektur beschrieben.

Zu unterscheiden ist weiterhin zwischen Prozessen und Prozessinstanzen. Generell beschreiben Prozesse „einen Ablauf, das heißt den Fluss und die Transformation von Material, Information, Operation und Entscheidungen“ ([Osterloh&Frost, 2000], S. 27). Geschäftsprozesse in Unternehmen und Verwaltungsprozesse in der öffentlichen Verwaltung sind durch die „Bündelung und die strukturierende Reihenfolge von funktionsübergreifenden Aktivitäten mit einem Anfang und einem Ende sowie klar definierten Inputs und Outputs gekennzeichnet“ ([Osterloh&Frost, 2000], S. 27). Unter einer Prozessinstanz wird hingegen ein ablaufender oder abgelaufener Prozess verstanden, der eine eindeutige Identität in Zeit und Raum hat.