Überblick über die eLoGo-Referenzmodelle


Im Rahmen des eLoGo-Projektes wurden drei Referenzmodelle entwickelt, die miteinander in Beziehung stehen. Der Begriff des Referenzmodells bezeichnet ein spezielles Modell, dessen Zweck es ist, für den Entwurf anderer Modelle nützlich zu sein und daher hierfür herangezogen zu werden. Das Merkmal der Nützlichkeit ist für ein Referenzmodell immer dann gegeben, wenn sich Aufwand für den referenzmodellbasierten Entwurf anderer Modelle im Vergleich zum Entwurf ohne Referenzmodell verringert.

Drei Teilmodelle

Die eLoGo-Referenzmodelle dienen dem Entwurf von eGovernment-Anwendungssystemen. Sie bestehen aus den folgenden Teilmodellen:

  • Das „Referenz-Prozessmodell“ basiert in seinen Grundzügen auf den in der Literatur bekannten Phasenmodellen und beschreibt sowohl die Perspektive des Bürgers/Unternehmens (im Folgenden kurz: Nachfrager), als auch das Verwaltungshandeln in abstrakt genereller Form mit den Konzepten und Techniken der Prozessmodellierung. Es kann zum Entwurf von Prozessmodellen herangezogen werden, indem es Hinweise zur Optimierung und Anregungen gibt, die „den Weg zu einer brauchbaren Systemarchitektur bahnen“ [1].
  • Das „Referenz-Anforderungsmodell“ setzt auf dem Referenzprozessmodell auf und detailliert die Beschreibung der durch eine eGovernment-Anwendung zu unterstützenden Arbeitsaufgaben eines Benutzers. Insbesondere extrahiert es die Anforderungen an die eGovernment-Anwendung, in dem es die Interaktion zwischen Benutzer und System beschreibt. Dazu werden die Konzepte und Techniken der anwendungsfall-getriebenen Anforderungsanalyse ( Use Case Driven Requirements Engineering) eingesetzt. So umfasst es Anwendungsfallmodelle und Beschreibungen der zugehörigen Modellelemente (z.B. Beschreibungen der Interaktion zwischen Benutzer und System, Oberflächenentwürfe, Domänen-Objekte). Mit Hilfe des Referenz­anforderungs­modells können konkrete Anforderungsmodelle für eGovernment-Anwendungen erstellt werden.
  • Aufbauend auf Hintergrundwissen aus dem Anwendungsbereich werden die Elemente des Referenzanforderungsmodells zu Komponenten einer Referenz-Architektur weiterentwickelt und im Modell dargestellt. Diese Komponenten bieten an ihren Schnittstellen bestimmte Dienste an, mit denen die Interaktion von Benutzer und System gemäß der Vorgaben im Referenzanforderungsmodell realisiert werden können. Diese Komponenten, ihre Schnittstellen und die dort angebotenen Dienste werden in der Referenzarchitektur dargestellt. Sie besteht einerseits aus UML-Diagrammen, die die Komponenten und deren Schnittstellen aus konzeptioneller Sicht darstellen, als auch aus einem Katalog der Dienste, die diese Komponenten anbieten. Das „Referenzarchitekturmodell“ dient der Erstellung konkreter Architekturen für eGovernment-Anwendungen.

Es existieren generelle Beziehungen und spezielle Abhängigkeiten zwischen den Elementen der verschiedenen Modelle. Aus einer oder mehreren Prozessaktivitäten resultieren beispielsweise Anwendungsfälle und Domänen-Objekte im Anforderungsmodell. Die aus diesen Anwendungsfällen resultierenden Anforderungen werden dann durch Dienste an den Schnittstellen von Komponenten der Referenzarchitektur abgedeckt.

Derartige Beziehungen müssen, auch zum Zweck der Nachvollziehbarkeit der Anwendungsentwicklung (Traceability), dokumentiert, berücksichtigt und weiterentwickelt werden.

Abbildung 1 – Drei eLoGo-Referenzmodelle für eGovernment und ihre Einordnung in die MDA

Model Driven Architecture

Die Model Driven Architekture (MDA) der Object Management Group, die in Theorie und Praxis der Softwareentwicklung immer mehr an Bedeutung gewinnt, gibt einen Rahmen vor, in den sich Softwareentwicklungsmodelle einordnen lassen. In der MDA werden drei Sichten eingeführt, die unterschiedliche Perspektiven auf ein Anwendungssystem bilden. Jeder Perspektive kann ein bestimmter Modelltyp zugeordnet werden, der genau die Aspekte des Systems im Modell abbildet, die für die Sicht relevant sind.

  • Die informationstechnikunabhängige Sicht ( Computation Independent Viewpoint) stellt das System aus einer Perspektive dar, die die Umgebung des Systems und die Anforderungen an das System zeigt. Die strukturellen Details des Systems und die (Informations-)Verarbeitung innerhalb des Systems sind nicht sichtbar oder noch nicht untersucht. Ein Modell, das ein System aus dieser Perspektive darstellt, wird als CIM (Computation Independent Model) bezeichnet.
  • Die plattformunabhängige Sicht ( Platform Independent Viewpoint) zeigt die Details des Systems und seine Funktionen, ohne auf die notwendigen Details einer speziellen Plattform einzugehen. Unter einer Plattform wird dabei eine Menge von Subsystemen oder Technologien verstanden, die eine zusammenhänge Funktionalität über Schnittstellen anbieten, die deren Nutzung und die zugrunde liegenden Konzepte beschreiben. Die Plattform-unabängige Sicht abstrahiert von den speziellen Details dieser Schnittstellen und Konzepte. Für Modelle, die diese Sicht darstellen, verwendet die MDA den Begriff des Platform Independent Model (PIM).
  • Die plattformspezifische Sicht ( Platform Specific Viewpoint) kombiniert die Plattform-unabhänige Sicht mit zusätzlichen Details, die aus der Nutzung einer konkreten Plattform resultieren. Die relevanten Aspekte einer konkreten Plattform sind in einem Plattform-Modell (Platform Model) enthalten. Modelle die die Platform-spezifische Sicht darstellen, werden als PSM’s (Platform Specific Models) bezeichnet. Sie kombinieren Informationen aus dem PIM mit denen aus dem Plattform-Modell.

Einordnung in die MDA

Die eLoGo-Referenzmodelle lassen sich wie in Abbildung 1 dargestellt diese Perspektiven der MDA einordnen.

  • Das Referenzprozessmodell zeigt die Umgebung einer eGovernment-Anwendung, indem es die Verwaltungsprozesse darstellt und die zu unterstützenden Arbeitsaufgaben aufzeigt. Dabei trifft es zwar Annahmen, die auf grundsätzlichen Möglichkeiten der Informationstechnik beruhen (z.B. der Möglichkeit zur gleichzeitigen Bearbeitung eines Vorgangs an geographisch verteilten Orten), bleibt aber unabhängig von konkreten Annahmen über die zugrunde liegende Informations- und Kommunikationstechnik. Es werden daher keine Details der eGovernment-Anwendung beschrieben. Damit stellt das Referenzprozessmodell ein CIM im Sinne der MDA dar.
  • Durch das Referenzanforderungsmodell werden Details der eGovernment-Anwendung (z.B. die Interaktion zwischen Benutzer und System) beschrieben. Die durch das Prozessmodell getroffenen grundsätzlichen Annahmen über die Unterstützung durch Informations- und Kommunikationstechnik werden zu diesem Zweck konkretisiert. Allerdings enthält es keine Aussagen über die Umsetzung auf einer bestimmten Plattform oder über sonstige technische Rahmenbedingungen. Das Referenzanforderungsmodell ist daher kann in die MDA als plattform-unabhängiges Modell eingeordnet werden.
  • Das Referenzarchitekturmodell beschreibt die statische Struktur und das dynamische Zusammenwirken der Bestandteile einer eGovernment-Anwendung. Da diese Beschreibung auf einem generell abstrakten Referenzniveau erfolgt, werden keine technischen Details einer bestimmten Plattform (z.B. der Realisierung mit Enterprise Java Beans oder Microsoft .NET) beschrieben. Somit stellt auch das Referenzarchitekturmodell ein plattform-unabhängiges Modell dar.

Die Beziehungen und Abhängigkeiten, die zwischen den Elementen dieser Modelle existieren und in Abbildung 1 durch den Pfeil mit der Bezeichnung «trace» (als UML-Dependency) ausgedrückt sind, müssen in den Transformationsschritten der MDA berücksichtigt werden.

Die im Vorangegangenen vorgestellten eLoGo-Referezmodelle werden in den folgenden Abschnitten mit ausgewählten Beispielelementen im Detail vorgestellt.


[1][Lenk&Wimmer, 2001], S. 75